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Matthias Tesi Baur über die Wirkung neuer Formate bei Handelsmessen

Die Pandemie hat bei allen Publikums-Messen eine urplötzliche Verlagerung auf digitale Kontakte nötig gemacht. Einige Messen haben sich sehr gut auf die neue Situation eingestellt. Sie entwickeln umfangreiche Angebote vor und nach der Messe. Diese Angebote sind von Natur aus digital. Was sollte SIPPO vermitteln, wenn es seine BSOs berät, wie sie erfolgreich an Messen im "neuen Format" teilnehmen können?

Neu Formate bei Handelsmessen 2021

Die Pandemie hat bei allen Publikums-Messen eine urplötzliche Verlagerung auf digitale Kontakte nötig gemacht. Wie gut haben sich die Messen selbst, die Aussteller, die Besucher darauf eingestellt?

Dies ist sehr unterschiedlich. Wir hatten vor ca. 1.5 Jahren einen hybriden Framework entwickelt, um den Entwicklungsstand einer hybriden Messe genau messen zu können. Diesen Framework haben wir dann auf ca. 100 verschiedenen Messen angewandt und das Resultat war extrem unterschiedlich. Manche Messen haben sich extrem gut auf die neue Situation eingestellt und sehr schnell hybride Strategien entwickelt. Diese beinhaltetet neue digitale Produkte, einen 365 Zugang und neuartige Kommunikation-Strategien. Digital Produkte wurden für alle Bereiche von Brand-Building bis zum Networking angeboten. Ein echtes Best-Practice Beispiel ist hier z.B. die Webseite der Vitafood von Informa. Andere Messen waren jedoch erschreckend inaktiv und es war auf deren Digital-Präsenzen noch nicht mal eine Änderung im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit zu sehen.

Welche der neuen digitalen Kontaktformen waren erfolgreich. Welche nicht?

Insgesamt haben wir ca. 12 digitale Produktgruppen untersucht. Am erfolgreichsten waren Panel-Diskussion, digitale Stände bzw. Directoires sowie Video Marketing. Allen diesen Digitalprodukte ist gemein, dass sie zielgerichtete Sichtbarkeit bieten. Aussteller haben also Produkte gewählt, die sich an eine grössere Zielgruppe richtet. «One to One» Matchmaking Produkte waren weniger erfolgreich. Reine Lead-Generation Produkte wurde sowohl weniger angeboten und waren, falls doch angeboten, weniger erfolgreich. Im direkten Matchmaking ist die live Messe durch digitale Produkte derzeit nicht zu ersetzen.

Kann man schon eine Bilanz ziehen? Waren die Einbussen – weniger Geschäftsabschlüsse, weniger neue Kontakte, weniger Innovation – gross? Oder gab es auch Gewinner?

Hier liegen mir keine konkreten Zahlen vor aber man kann sagen, dass die Einbussen auf jeden Fall gross waren. Alle grossen Veranstalter von Messen haben die Zeit genutzt sich deutlich zu verschlanken. Dies gilt für alle Ebenen von den Messe Teams bis zu den Geschäftsführungsebene. Auch auf der Ausstellerseite gehe ich von einigen Einbussen aus. Messen wurden von vielen Ausstellern regelrecht vermisst, da sie als Plattform für Ihr Business unverzichtbar ist. Viele Messen, die in den letzten Monaten wieder durchgeführt wurden boten ca. 60% – 70% der Aussteller im Vergleich zur Vor-Pandemie-Levels Platz. Auch die Besucherzahlen waren geringer aber die Kundenzufriedenheit ist im Normalfall extrem gut, weil alle froh sind dass Messen wieder stattfinden können und die Qualität der Kontakte extrem gut ist.

Mit ANUGA, A+A, World Expo finden live-Messen wieder statt: Was ist neu an ihnen? Was wird von der Digitalerfahrung aus der Pandemie auch in Zukunft bleiben?

Viele Messen arbeiten tiefere Angebote für die Vor- und Nachmesse-Zeit aus. Diese Angebote sind naturgemäss digital. Wir selbst haben ein hybrides Monetarisierung Konzept entworfen in dem wir den Business Journeys eines Ausstellers in der Gesamtheit abbilden und nicht nur auf den Messeauftritt ausrichten. Ein Aussteller betreibt Business auch vor und nach einer Messe. In unserem Konzept ist ein Messeauftritt natürlich der wichtigste «Step», um im Bilde des Journeys zu bleiben, aber es gibt auch viele andere Steps, wie Client-Sourcing, Beziehungsaufbau, Geschäftsanbahnung usw.. Eine Messe kann zu all diesen Steps einen gelungenen Höhepunkt bieten. In unserem Konzept ist es dann auch nur konsequent einen Aussteller eine Lösung für seinen Business Journey anzubieten mit vielen Vor- und Nach-Messe Formaten und der Messebeteiligung als Höhepunkt.

Was müsste SIPPO bei der Beratung ihrer BSOs für eine erfolgreiche Teilnahme an Messen im «neuen Format» vermitteln?

Ich denke SIPPO sollte Lösungen zu einem erweiterten Business Journey für die betreuten Firmen der BSO’s wie oben beschrieben bieten. Digitalisierung ist hier das Schlagwort. Beziehungsaufbau zu Kunden und Geschäfts Anbahnung sind auch im digitalen Bereich nicht leicht. Online Produkt Touren z.B. müssen aus der Masse der Zoom-Calls in denen wir alle seit 2 Jahren «gefangen» sind  herausstechen. Dies fängt schon mit dem richtigen Marketing an. Das schönste digitale Format ist nichts wert, wenn sich keiner oder die falsche Zielgruppe registriert. Ihr kann man viel mit Exklusivität und einer «Verknappung» von Online Plätzen arbeiten. Sobald sich die richtige Zielgruppe registriert hat ist die Umsetzung nicht zu unterschätzen. Einen digitalen Besucher über 45 Minuten an den Bildschirm «zu fesseln» ist eine grosse Herausforderung. Hier ist das Wort «Infotainment» sehr wichtig. Der Content der Session muss exklusiv und von hoher Qualität sein, aber auch die Durchführung muss unterhalten, und den Teilnehmer interaktiv mit einbinden. Die Dynamic in digitalen Formaten sollte sich alle 10 Minuten ändern, um eine agile Session Atmosphäre zu erzeugen. SIPPO könnte ihr Konzepte und Leitfäden für Best-Practice Cases zur Verfügung stellen und bei deren Durchführung durch Schulung und entsprechende Beratung oder Dienstleistern Hilfeleistung stellen.

Matthias Tesi Baur ist Geschäftsführer der MBB-Consulting Group. MBB ist eine Boutique-Consulting-Agentur mit Sitz in London und einem starken Fokus auf Messestrategien, einschliesslich Wachstum, kommerzielle Veränderungen und digitale Strategien. Die Agentur betreut Kunden wie Informa, Deutsche Messe, Comexposium und viele mehr. Darüber hinaus bietet MBB eine Reihe von Trainingsprogrammen an und betreibt den Exhibition Think Tank. Auf der Covid-19-Spezialseite von SIPPO hat er eine umfassende Artikelserie zum Thema "So können hybride Messemodelle funktionieren" publiziert.

Dieser Beitrag ist im Newsletter von SIPPO Mitte Dezember erschienen. Registrieren Sie sich für den Newsletter, der Ihnen 3x im Jahr aktuelle Informationen zu SIPPOs Aktivitäten in der Exportförderung vermittelt.

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